24. Januar 2025
Tragischer Verkehrsunfall endet mit erfolgreicher Reha in BDH-Klinik Braunfels
Spendenübergaben sind normalerweise schnell erzählt – auch bildlich: ein symbolischer Scheck in Großformat mit gut leserlicher Summe wird von beteiligten Personen, also von Gebern und Nehmern in die Kamera gehalten und das daraufhin geschossene Foto dokumentiert, verbunden mit einer Pressemitteilung, die gute Tat. Am Tag, an dem Gerd und Jannik Otterbach aus Siegen einen Spendenscheck in Höhe von 11.000 Euro an die BDH-Klinik in Braunfels übergeben, ist das anders. Mit diesem Termin endet eine Geschichte, in der es über sieben Monate lang um Leben, Tod und eine herausfordernde Rehabilitation ging. „Wir verbinden mit dieser Spende eine tiefe Dankbarkeit an das gesamte Klinik-Team und wir zollen Medizinern, Therapeuten und Pflegekräften unseren größten Respekt für die geleistete Arbeit“, erklärt Gerd Otterbach kurz vor Weihnachten und sein Sohn ergänzt: „Vielen lieben Dank für alles. Das haben Sie super gemacht.“ Diese zwei Sätze des jungen Mannes sind für sich gesehen schon ein Wunder – elf Monate nach dessen tragischen Verkehrsunfalls.
Rückblick: Am 30. Oktober 2023 verunglückt der 19-Jährige im Sportwagen seines Vaters. Die Fahrt, um nur zu tanken, endet im Aquaplaning. Bei regennasser Fahrbahn kommt der Pkw von der Straße ab und prallt mit der Fahrerseite gegen einen Baum. Durch den Aufprall wird das Heck des Fahrzeugs stark beschädigt und der Wagen kommt erst im etwa sieben Meter tiefer gelegenen Fluss Netphe auf der Seite zum Liegen. Wer einmal die Bilder vom Unfallort gesehen hat, wird sie so schnell nicht wieder los.
Die 16-jährige Beifahrerin kann sich aus dem Wrack selbst befreien, während Jannik Otterbach von der Feuerwehr aus dem im Wasser liegenden Fahrzeug befreit werden muss. Insgesamt sind 45 Einsatzkräfte aus vier Löschzügen sowie das THW im Einsatz. Der 19-jährige erleidet bei dem Unfall schwerste, lebensbedrohliche Verletzungen und wird sofort in das Jung-Stilling-Klinikum nach Siegen gebracht. Nach verschiedenen Operationen am Kopf wird der Patient im Koma liegend nach 14 Tagen zur Rehabilitation in die BDH-Klinik nach Braunfels verlegt. „Zu diesem Zeitpunkt war das Ziel, den jungen Mann von der künstlichen Beatmung zu entwöhnen und Kontaktfähigkeit mit der Außenwelt herzustellen“, erinnert sich Prof. Dr. Inga Sünkeler. Die Leitende Oberärztin der BDH-Klinik ist es auch, die sich eines Abends so sehr um den Zustand des Patienten sorgt, dass sie Kollegen zu Rate zieht. Im Schädel hatte sich sehr viel Wasser gebildet und drückte verstärkt auf das Gehirn. „Eines Abends bekam ich einen Anruf von Prof. Sünkeler mit den Worten´Herr Otterbach, schrecken Sie nicht auf, aber das Wasser geht nicht weg und wir müssen Ihren Sohn erneut verlegen“.
Nach Rücksprache und einem gemeinsamen Gespräch mit Oberarzt PD Dr. Michel Bender und Prof. Dr. Eberhard Uhl von der Neurochirurgischen Klinik am Uni-Klinikum Gießen zögert Prof. Sünkeler nicht lange und veranlasst noch in der Nacht vom 1. Dezember den Krankentransport. Nach mehrfach erfolgreichen Operationen kann Jannik Otterbach am 3. Januar 2024 nach Braunfels zur Fortsetzung der Reha zurückverlegt werden. Zum Zeitpunkt der Wiederaufnahme in die BDH-Klinik wird der junge Mann nachts noch beatmet und ist „sicher kontaktfähig“ wie es im medizinischen Jargon heißt. Er ist sogar in der Lage, Aufforderungen der Ärzte zu befolgen.
Im Verlauf der weiteren Rehabilitation verbessert sich der Zustand zunehmend, Jannik kann bald ohne Beatmungsgerät und Unterstützung selbst atmen. Während der gesamten Reha-Maßnahmen sind die Eltern aktive Partner in der Therapie und in der pflegerischen Versorgung. „Es war ein unglaubliches Teamwork mit Neuropsychologen, Ärzten, Therapeuten und Pflegern. Wir konnten täglich Fortschritte sehen. Irgendwann musste unser Sohn zum Beispiel nicht mehr künstlich ernährt werden“, erinnert sich Gerd Otterbach. Im Verlauf der weiteren Monate kann Jannik zunehmend in den Rollstuhl mobilisiert werden, der Luftröhrenschnitt ist verschlossen und er beginnt, selbständig zu essen.
Jannik Otterbach ist zu diesem Zeitpunkt darüber hinaus in der Lage, zu verstehen, wie schwer die Verletzungen infolge seines Unfalls gewesen waren. Von seinen Eltern hatte er die weichenstellende Entscheidung des 1. Dezembers erzählt bekommen. Eines Tages macht sich der Student des Ingenieurwesens auf den Weg zu Prof. Sünkeler und sagt: „Vielen Dank, dass ich leben darf.“ Noch heute stockt der Ärztin, die seit 24 Jahren als Leitende Oberärztin schwerst-hirngeschädigte Patienten behandelt, die Stimme, wenn sie ergriffen feststellt: „Was für eine Motivation für unsere Arbeit.“
Familie Otterbach ist der BDH-Klinik angesichts dieser gelungenen Rehabilitation ihres Sohnes unendlich dankbar. Über den gesamten Verlauf konnten sich die Eltern von der hochprofessionellen Arbeit des gesamten Teams, bestehend aus Pflegepersonal, Therapeuten und Ärzten überzeugen. Prof. Sünkeler betont, „wie außergewöhnlich erfreulich und positiv“ die Reha verlaufen ist.
Jannik Otterbach konnte am 14. Juni 2024 nach nunmehr siebeneinhalb Monaten Krankenhausaufenthalt entlassen werden – und das ohne nennenswerte Einschränkungen. Lediglich das Ein- und Aussteigen ins Auto gelinge noch nicht flüssig, erzählt der mittlerweile 20-Jährige, der nun eine Ausbildung als Physiotherapeut anstrebt. „Wir sollten allgemein nicht zu sehr klagen, über das, was man nicht hat, sondern vielmehr schätzen, was man hat“, betont Vater Gerd Otterbach Ende des vergangenen Jahres bei jener Spendenübergabe, die eine besondere Geschichte erzählt. „Mein eigener Wille zu überleben war da, aber ich hätte das nicht ohne Sie alle geschafft“, sagt Jannik Otterbach in der BDH-Klinik – und der symbolische Scheck gerät zur Nebensache.